Wasserwelten
Wasserreservoir Europas
Das Gotthardmassiv ist ein grosses Wasserschloss. Hier entspringen vier Flüsse, die zu den bedeutendsten der Alpen zählen: Von der Passhöhe fliesst der Tessin nach Süden in den Po und dann ins Adriatische Meer. Westlich der Furka entspringt die Rhone, die sich bei Marseille ins Mittelmeer ergiesst. Der Tomasee, ein glasklarer Bergsee in einem Felskessel südlich des Oberalppasses, gilt als Quelle des Rheins, der in Rotterdam in die Nordsee strömt. Und im Gotthardgebiet sammelt auch die Reuss, der viertgrösste Fluss der Schweiz, ihr Wasser.
Stromerzeugung
Das Wasser ist für die Erzeugung von elektrischer Energie von grosser Bedeutung. Seit 1902 produziert das Elektrizitätswerk Ursern in den Kraftwerken Hospental, Realp und Oberalp rund 20 Millionen Kilowattstunden Strom. Das Elektrizitätswerk ist vollumfänglich im Besitz der Korporation Ursern. Daneben wird Wasser aus dem Userntal auch in Tessiner Kraftwerken und im Kraftwerk Göschenen verarbeitet.
1920 tauchte erstmals die Idee auf, im Urserntal einen Stausee zu bauen. Anfang der 1940er-Jahre wurden die Pläne konkreter. Eine 200 Meter hohe Mauer beim Urnerloch hätte das Wasser bis nach Realp gestaut und einen See fast so gross wie den Urnersee geschaffen. Doch aus dem gigantischen Projekt wurde nichts. Mit gezielten Aktionen kämpfte die Urschner Bevölkerung erfolgreich gegen den Verlust ihrer Heimat.
Stausee Göscheneralp
Als Ersatz bauten die CKW und die SBB von 1955 bis 1962 das Kraftwerk Göschenen mit dem Stausee in der Göscheneralp. Dafür wurde eine der grössten Talsperren Europas errichtet. Das Werk produziert heute in den zwei Stufen Göscheneralp–Göschenen und Andermatt–Göschenen im Mittel 398 Millionen Kilowattstunden Strom.
Dem Stausee musste der Weiler Göscheneralp geopfert werden. Die meisten Bewohner fanden im Gwüest unterhalb der Göscheneralp eine neue Heimat. Nicht zuletzt dank des Sees hat sich die Göscheneralp zu einem beliebten Ausflugs- und Wanderparadies entwickelt.
Wasserwelten Göschenen
Das Projekt Wasserwelten Göschenen realisiert im Göschenertal eine Plattform für Umweltbildung, Naturerlebnisse und sanften Tourismus rund um den Themenkreis Wasser. Herzstück von Wasserwelten Göschenen ist der Wasserweg. Von den Vorfeldern des Dammagletschers zuhinterst im Göschenertal bis zur Kläranlage unterhalb des Dorfes zeigen rund neunzig Stationen die unterschiedlichen Facetten von Wasser als Gestalter der Landschaft, als Lebensraum oder Naturgefahr, aber auch als Lebenselixier und wirtschaftliche Ressource. Die Wanderkarte, der Wanderführer und die Broschüren bieten Individualtouristen, Familien und Gruppen Hintergrundinformationen, leiten durch das Göschenertal und machen auf Wasserorte aufmerksam.
Urner Reussdelta
Am Südufer des Urnersees befindet sich eine Natur- und Kulturlandschaft von nationaler Bedeutung. Ausgedehnte Riedwiesen, Auenwälder und Amphibienlaichgebiete prägen die Landschaft. Sie bieten teils seltenen Tier- und Pflanzenarten wie etwa dem Lungenenzian, den Schwertlilien, dem Fieberklee, zahlreichen Orchideenarten, dem Flussregenpfeiffer, der Seeforelle, der Gelbbauchunke oder dem Fadenmolch wichtige Lebensräume. Das Naturschutzgebiet liegt zudem innerhalb einer schutzwürdigen Landschaft.
Seit der Kanalisierung der Reuss und dem Start des Kiesabbaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Flusslandschaft nicht mehr in der natürlichen Dynamik. Rund 24 Hektaren Riedwiesen und Schilfflächen fielen im letzten Jahrhundert im Reussdeltagebiet den menschlichen Eingriffen zum Opfer. Bei der Neuvergabe der Kiesabbau-Konzession verlangte deshalb der Kanton, dass künftig die nachhaltige Nutzung von Kies und Sand in Einklang zu bringen sei mit einer naturnahen Entwicklung der Mündungslandschaft. Dabei sollten die Interessen von Naturschutz, Landwirtschaft, Fischerei und Erholung mitberücksichtigt werden.
Zur langfristigen Sicherung dieser Zielsetzung hat das Urner Volk 1985 dem Gesetz über das Reussdelta zugestimmt. Das Reglement über den Schutz des Südufers des Urnersees ermöglicht zudem den Vollzug der notwendigen Schutz- und Pflegemassnahmen. In den vergangenen 25 Jahren konnte so das Reuss-delta unterhalten und weiterentwickelt werden. Die vollzogenen Massnahmen umfassen im Wesentlichen die Renaturierung von Gewässern, die Ufersicherungen, die Pflegearbeiten der schutzwürdigen Lebensräume und den Unterhalt der Erholungseinrichtungen wie Wanderwege, Strand- und Freizeitanlagen. Wissenschaftliche Begleitprogramme und Erfolgskontrollen geben Auskunft über die Wirksamkeit der getroffenen Massnahmen. Mit einem Informations- und Aufsichtsdienst wird die Einhaltung der Regeln, beispielsweise der Fahrverbote, des Wegegebotes oder der Hundeleinenpflicht, kontrolliert.
Projekt Seeschüttung
Nach alten Quellen waren der natürlichen Reuss-mündung früher stets Inseln vorgelagert. Je nach Wasserstand ragten diese aus dem Wasser und es bildeten sich neue Inseln – oder sie verschwanden wieder. Die Idee, Inseln durch bauliche Ersatzmassnahmen als Landschaftsele-ment und als Schutz für das erosionsanfällige Ufer wieder einzufügen, war schon zu Beginn der Erarbeitung des Landschaftsentwicklungsplans im Urner Reussdelta von verschiedenen Seiten eingebracht worden. 1991 wurde ein erstes Projekt erarbeitet. Es bestand darin, die auf der linken Seite der Reussmündung bestehenden Flachwasserzonen zu vergrössern, ökologisch aufzuwerten und unter Berücksichtigung der dynamischen Entwicklung die Ufer weiter zu stabilisieren. Das erste Projekt mit sechs Inseln wurde vom Urner Regierungsrat im Jahr 1993 genehmigt. 1999 bewilligte die Regierung auch das Anschlussprojekt mit zusätzlichen ökologisch wertvollen Flachwasserzonen mit Schüttungen bis in 55 Meter Tiefe.
Zwischen 2000 und 2007 wurden in sieben Etappen total 3,3 Millionen Tonnen Ausbruchmaterial aus dem Tunnel der A4-Umfahrung Flüelen und aus dem Gotthard-Basistunnel geschüttet. Der Schüttvorgang bis 3 Meter unter der Wasseroberfläche erfolgte mit Klappschiffen, die pro Fahrt bis 340 Tonnen Material transportieren konnten. Entladen wurde nach der Einfahrt in einer verankerten, U-förmigen Pontonanlage durch Öffnung des Schiffsbodens. Zur Vermeidung einer unkontrollierten Trübung mit negativen ökologischen Nebenwirkungen im See wurde die Pontonanlage mit Schürzen aus Kunststoff versehen. Die exakten Positionen für das Verklappen des Materials wurden über ein GPS-System bestimmt. Die Kontrolle der Schüttoberfläche erfolgte mittels Echolot. Die Schüttungen in einer Wassertiefe von weniger als 3 Metern und über der Wasseroberfläche erfolgten durch Nauen mit einer Selbstentladeeinrichtung bis 500 Tonnen Nutzlast. Die Gestaltung der Inseloberflächen wurde je nach Nutzung unterschiedlich ausgeführt. Die Badeinseln mit einer Sandabdeckung, die Naturschutzinseln mit einer möglichst natürlichen Oberfläche gemäss den Vorgaben der Ornithologen und Botanikern. Die drei Bade-inseln sind nur über das Wasser erreichbar. Die mittlere der drei Naturschutzinseln ist als Kunstwerk in Form eines Kreisrings gestaltet.
Mehrfach ausgezeichnet
Das Projekt ist in seiner Art und Dimension einzigartig im ganzen Alpenraum und wurde mehrfach ausgezeichnet. Es ist unter anderem Preisträger 2006/2007 beim SIA-Wettbewerb «UMSICHT REGARDS SGUARDI» für zukunftsfähige Beiträge zum Bauwerk Schweiz. Die Jury zeichnete das Projekt Seeschüttung als Resultat einer beispielhaften transdisziplinären Arbeit aus. Aufgrund der einzigartigen Kombination von Landschaftsgestaltung und Naturschutz in einem kulturell bedeutsamen Raum wird das Projekt als wegweisend für die künftige Gestaltung von Kulturlandschaften mit hohem Konfliktpotenzial angesehen.
Weitere Infos: www.reussdelta.ch
Kommission für das Reussdelta
Sekretariat
Rathausplatz 5
6460 Altdorf
Tel. 041 875 24 19
www.reussdelta.ch